Heimatforschung Ziegelheim

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NiederschriftLeupold


Werte Leserschaft!

Vielleicht kann ich Sie auch mit dieser Arbeit wieder ein wenig für Geschichte, insbesondere die Heimatgeschichte begeistern. Ich finde es faszinierend und es macht mich auch ehrfürchtig, wenn ich ein Papier in die Hand bekomme, was eine Zeitkapsel ist. Das hier gemeinte Dokument hat von 1767 bis 2009 - also 242 Jahre - in der Kirchturmspitze verbracht und darauf gewartet, entdeckt zu werden. Es ist verblüffend und begeisternd zugleich, wenn man von Dingen liest, die heute in Geschichtsbüchern stehen und die hier von Zeitzeugen "life" aufgeschrieben wurden. Nun ist es nicht so, das die Existenz dieses Schreibens unbekannt wäre. Nein, es ist auf Inhaltslisten späterer Zeit verzeichnet. Die Kirchturmspitze samt Knopf wurde in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals abgenommen. Dabei wurden immer neue Nachrichten ergänzt und wenn die Bauzeit bis zum Wiederaufsetzen der Spitze und Wetterfahne es zuließ, wurden tatsächlich auch die alten Nachrichten gelesen und kopiert. Bei unserem speziellen Fall haben sich die Leser (fast immer der Pfarrer und der Kirchschullehrer) in der Vergangenheit allerdings immer die Zähne ausgebissen, konnten nur Teile entziffern. - Aber lesen Sie selbst... - Ich habe die Geschichte bewußt nicht der Kirchenseite zugefügt, weil der Großteil des Inhalts die Orts-, Landes- und Reichsgeschichte betrifft..

Am 29.06.2009 wurde mit Hilfe schwerer Krantechnik der Turmknopf samt Wetterfahne vom Kirchturm der Ziegelheimer Kirche abgenommen. Dies war dringend notwendig geworden, nachdem es am 3.Juli 2008 zu einem Blitzschlag in den Turm gekommen war. Infolgedessen hing die Wetterfahne schief und drohte bei einem erneuten Unwetter abzustürzen. Am 2.Juli 2009 kam es zur Öffnung des Knopfes, Dokumentenbehälter wurden geborgen, der Inhalt dokumentiert..
.. bis zum 13.September blieb mir als damaliger Ortschronist nun Zeit, die gefundenen Schriftstücke zu transkribieren und zu übersetzen. An diesem Tag fand im Rahmen des deutschlandweiten Denkmaltages eine Ausstellung des Knopfinhaltes in der Kirche statt. Ich schaffte es damals tatsächlich, alle Dokumente lesbar für die Besucher zu machen – bis auf eines:

Die Niederschrift des Pfarrers Leupold aus dem Jahre 1767 war einfach in der kurzen Zeit nicht zu „knacken“. 16 Seiten, ungefähr Format A5 (20cmx16,5cm), Buchstabengröße oft nur 2mm, enge Zeilenabstände (die Lupe war gefragt). Oft ragten Buchstaben-Schnörkel in die nächste Zeile und „manipulierten“ deren Buchstaben... Rechtschreibung und Grammatik gab es zu dieser Zeit noch nicht, die Handschrift von Leupold „verschluckte“ ganze Endungen und Kommas. Wir befinden uns im Spätbarock, einer Zeit, in der oft in der dritten Person geschrieben und gesprochen wurde, in der man spät auf den „Kern des Satzes“ kam und viele „Wortverschnörkelungen“ und Umschreibungen benutzte. – Dies alles konnte ich schließlich bewältigen, nachdem mir die Ortsgeschichte, die Regionalgeschichte, Abkürzungen für Bargeld, Maße und Gewichte infolge jahrelanger Forschungen nicht mehr fremd waren. Ein letztes, unglaublich schwer zu lösendes Rätsel waren die theologischen Redewendungen, Fürbitten, Gebete, die ein Pastor nun einmal mit einbringen muß. Es sind barocke Redewendungen, nur wenige sind heute noch gebräuchlich. Zuweilen halfen mir alte Lexika in meiner Privatbibliothek. Das Pierer-Lexikon der 1840er Jahre verriet manche Begriffe, die damals schon überaltert waren.. – Letztlich fand ich für jeden unbekannten „Buchstaben-Salat“ ein Wort und alles ergab am Ende einen Sinn. Es gibt einige wenige Worte, die ich mit einem Fragezeichen versehen habe. Bei diesen Worten kann ich nicht 100prozentig sagen, das es die richtigen sind. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, das diese Worte nichts am Inhalt des betreffenden Satzes ändern würden, selbst wenn sie falsch transkribiert sind.
Aus diesem Grunde kann ich auch heute, nach 15 Jahren, sagen – das Werk ist vollendet.

Eine Erläuterung möchte ich noch zum Begriff „Transkribtion/transkribieren“ geben:
Im Normalfall bedeutet „transkribieren“ nur „Übertragung von einer Schrift in eine andere Schrift oder auch von einem Alphabet in ein anderes“. Es geht hierbei nur um das Wortbild und die Aussprache. „Transkribtion“ bedeutet hingegen nicht „Übersetzung“. Eine Übersetzung meint das Verstehen des Inhaltes des Textes.
Im Falle der Leupold`schen Niederschrift hier, machte sich ein intensives Beschäftigen mit der Zeit und der damaligen Sprache erforderlich, um eine Transkribtion durchführen zu können. Man könnte also sagen, hier fand eine Transkribtion zusammen mit einer Übersetzung (in meinem Kopf) statt, weil das Knacken der Wörter-Rätsel aufgrund der schwer lesbaren Handschrift und der Verwendung von heute nicht mehr gebräuchlichen Wörtern sonst nicht möglich gewesen wäre.
Es gibt wesentlich ältere Dokumente mit schwierigerem Inhalt – diese kann man aber aufgrund größerer Buchstaben und schönerer Schrift zweifelsfrei transkribieren, ohne den Inhalt komplett verstehen zu können. Alternativ gibt es wiederum Schriftstücke jüngeren Datums, z.B. um 1900 herum geschriebene. Auch bei furchtbar schlechter Handschrift lassen sich diese „knacken“, weil die Ausdrucksweise/Wortwahl uns oft noch geläufig ist und wir über den Inhalt die einzelnen Worte „lesen“ können.
Es ist ein weites und schwieriges Gebiet. Beim nun abgeschlossenen Projekt „Niederschrift Leupold 1767“ kann man durchaus von einem Meisterstück sprechen, kamen hier doch alle Schwierigkeiten zusammen, die man sich nur vorstellen kann. Dennoch möchte ich noch erwähnen: Nein, ich habe an dieser Transkribtion nicht von Sommer 2009 bis Sommer 2024, also 15 Jahre, gearbeitet. In dieser langen Zeit, geprägt durch viele andere Forschungsprojekte, nahm ich mir aller paar Jahre das „rätselhafte Papier“ mal wieder zur Hand, studierte es erneut.. und fand immer mal wieder einige Worte oder Sätze heraus. Tatsächlich half mir dabei meine fortlaufende Weiterbildung durch andere Forschungsprojekte. Ich wünsche künftigen Generationen von Heimatforschern und Chronisten, das diese meine Arbeit helfen möge, die Kenntnisse der alten Currentschrift zu erlernen und zu bewahren. Es ist wichtig, auch künftig an Original-Quellen zu forschen. Dazu sind Lese-Kenntnisse der Currentschrift elementar wichtig. – Und vielleicht verschwindet ja in Zukunft noch das eine oder andere Fragezeichen in meiner Transkribtion... ich hätte nichts dagegen..

Michael Etzold
Heimatforscher
Juli 2024


I.N.J. (Im Namen Jesu)

Hoch- und wertgeschätzten Allen Lesern, welchen diese Nach-
richten, und Gott gebe in der spätesten Nachfahrenschaft
zum Untericht, in welchem geistlichen als politischen Ver-
Fassung sich die hiesige Gemeinde befunden, in die Hände
kommen mögen, wünschet der Endes unterschriebene
Verfasser aus redlichen Hertzen mit einem Heiligen Apo-
stel Johannes aus desselben hoher Offenbahrung Cap.10.4.6,
„Gnade sey mit euch und Friede von dem, der da ist, und
der da war, und der da komet und von den sieben Gei-
stern, die da sind vor seinem Stuhl, und von Jesu Chri-
sto, welcher ist der treue Zeuge und Erstgebohrne von
den Todten, und ein Fürst der Könige auf Erden,
der uns geliebet hat und gewaschen von den Sün-
den mit seinem Blut, und hat uns zu Königen
und Fürsten gemacht vor Gott und seinen Paten,
demselbigen sey Ehre und Gewalt von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Amen.
So alt und herrlich die Gnaden Wohlthat Gottes ist, da er die
Menschen gelehret, ihre Gedanken andern schritlich mit-
zutheilen, so alt und löblich ist auch die Gewohnheit,
vermöge welcher sie den Nachkommen die Merckwür-
digkeiten ihrer Zeit schriftlich berichtet. Billig suchen wir
gegenwärtig nicht nur dieser, sondern auch einer an-
dern, da sie zu einem sichern Ort die Kirchthurms Knöpfe
erwählet, bey einer höchstnöthigen Thurm-Reparatur
und Aufsetzung desselben Knopfs alhier Genüge zu leisten.
Geliebter Leser außer den alten Nachrichten, die theils
ein würdiger Hirte der hiesigen Gemeinde zu Ehren ein Magister
Crell, theils Magister Anger ehemals in diesen Knopfe nächst
einem Schreiben von den hiesigen Gerichten, gegeben und die
wir so gut der selb, anvertrauen, als wir sie heraus-
genommen, überlassen wir dir auch folgende neue Nach-

richten unserer Zeiten. Was
1.) die Regierungsform im Heiligen Römischen Reich anbelanget,
so ist sie noch die vorige. Das höchste Oberhaupt in
demselben ist der Römische Kayser. Der dermalige Be-
herrscher desselben ist Josephus II., des weyland Großmächtig-
sten Kaysers Francisci I., Hertzogs zu Lothringen und
Bar und Marien Theresien, Kayserin und Königin von
Ungarn und Böhmen und Ertzhertzogin von Oesterreich etc. etc.,
einer Tochter Caroli VI., des letzten männlichen Zwei-
ges aus dem weltberühmten hochgräflich Habsbur-
gischen und hernach Oesterreichischen Hause ältester Herr
Sohn.
Die höchste Landesherrschaft, welcher diese Gemeinde Un-
terthänigkeit und Gehorsam schuldig ist, verwahren wir
noch in dem durchlauchtigsten Churfürsten zu Sachsen.
Der gegenwärtige gnädigste Churfürst heißt Friedrich
August, ein Sohn des frommen und besten Fürstens Chri-
stian Friedrichs, der leider ! nach einer halbjährigen Re-
gierung besonders allen seinen getreuen Untertha-
nen durch einen zu frühen Tod zu bald entrissen worden. Es ste-
hen Höchstdieselben im 17.Jahr ihres gesegneten Alters -  
dahero verwalten aber auch Ihro Königliche Hoheit, der Prinz Xa-
verius, der nächste Herr Bruder des letztverstorbenen und
fürstehenden Churfürstens „durante minorennitale“ („während der Jugendzeit“)
die Vor- mundschaft.
Der gegenwärtige Lehn- und Gerichts-Herr alhier sind
Ihro Hochgräflichen Gnaden, Herr Otto Carl Friedrich,
des Heiligen Römischen Reichs Graf und Herr von Schönburg-Stein,
regierender Graf zu Stein und mitregierender zu Walden-
burg und Lichtenstein. Wenn der geehrte Leser aus den
beyliegenden ältern Nachrichten ersiehet, daß dieses
Dorf Ziegelheim sonst zu Waldenburg gehöret und sich da-
her wundert, wie es hier zu Stein gekomen sey, so ist
der Grund in der letzten Erb-Vertheilung der ge-


samten Vier Herren Söhne des zu Anfang dieses
Jahrhunderts zu Waldenburg regierenden und verstor-
benen Herrn Grafen Otto Ludewigs zu su-
chen. Diese Vertheilung der sämtlichen Graf- und Herr-
schaft, die der Hochselige Herr Vater beseßen, in
4 Theile umfasst Waldenburg, Lichtenstein, Hartenstein
und Stein. Weil aber die Grafschaft Stein in der Reichs-
Afterlehn-Herrschaft nicht so viel erhalt, als die an-
dern 3, so wurde zur Ausgleichung noch der Düngestuhl
Ziegelheim dazu geschlagen. Doch besaßen es der Herr
Graf von Stein nicht lange, sondern versetzten es, da
Hochdieselben zum Schloß-Bau zu Rußdorf viel Geld
benöthiget waren, an den Herrn Grafen zu Wechselburg,
jedoch widerruflich und für eben die Summe und Münz-
sorten, in welcher das Darlehn bestunde, nämlich in Gu-
ten Chursächsischen zwey Dritteln. Es ist dasselbe auch bis
1759 bey der Grafschaft Wechselburg verblieben, als
in welchem Jahr es der hochselige Graf und Herr, Herr
Albrecht Carl Friedrich, Graf und Herr von Schön-
burg-Stein, weyland (?) ehemals bey Ihro Hochfürstlichen Durchlaucht
dem Herrn Marggrafen zu Brandenburg-Bayreuth hoch-
betrauten Geheimden Rath, Ober-Stallmeister und Lan-
des-Hauptmann zu Hof, wie auch Ritter des gol-
denen Adler-Ordens, letztens aber by Ihro Kayserlichen
Majestät und bey Ihro Kayserlich-Königlichen Majestät
würklicher Geheimder-Rath wieder vor 11.000 Reichsthaler, in
Louis d´Or á 5 Reichsthaler, eingelöset und Ihrer Grafschaft
wieder einverleibet. Der jetzt regierende Graf und
Herr, welcher erstlich auf den 22. Februar 1768 ein Alter
von 10 Jahren erreicht, stehet unter der Vormundschaft, sin-
temal der Herr Vater hochseligen Andenkens vor etwas
über 2 Jahren dem hochgeachteten Herrn Sohne zur größten Be-
trübnis und den sämtlichen Unterthanen zum äußersten Trauer in

besten Jahren verstorben. Die Verwaltung der Vormund-
schaft ist von Ihro Churfürstlichen Durchlaucht zu Sachsen
den beyden Herrn Grafen von Schönburg, Herrn Frie-
drich Albert, Grafen und Herrn von Hartenstein und Herrn
Heinrich Ernst, Grafen und Herrn zu Rochsburg aufge-
tragen.
Der hiesigen Gerichte hochansehnlicher dermaliger Director
ist Herr Christian Wilhelm Walther aus Oberlung-
witz, hochgräflich-schönburgisch-steinischer Secretarius
und auch den Gerichten zu Cahlenberg Director und der ihm
beygeordnete Herr Actuarius Herr Johann Gottlob Tau-
scher aus dem Städtlein Zwönitz.
Auch hat Ziegelheim sein Dorf-Gericht, jedoch mit dem
Unterschied vor den vorigen Zeiten, daß sie den Gericht-
Schreiber, welche Stelle mit dem Schuldienste verein-
bart war, durch ein mit dem dermaligen noch lebenden
„Seniore Iudimoderatorum“ („Ältesten der Richter“ / „Oberrichter“) geführten Proceß verloren.
Die Gerichtspersohnen jetziger Zeit sind folgende:
1.) Richter ist George Etzold, Gärtner und Nachbar alhier. Schöppen
2.) aber: 1. Johann Pfefferkorn, Bauer, Nachbar und Anspanner lhier
 2. George Börnichen, Inwohner alhier
 3. Michael Penther, Handbauer und Nachbar zu Uhlmansdorf
 4. Johann Meister, Bauer, Nachbar und Anspanner zu Arnsdorf.
Die Dörfer, welche unter hiesiger Gerichstbarkeit ste-
hen sind: 1) Ziegelheim, welches aus 82 Feuerstätten besteht
exclusive Pfarre, Schule und Lauthaus und also mit denselben 85.
2) Uhlmansdorf aus 44. 3) Nieder Arnsdorf aus 12. 3) Thier-
garten aus 18. 5) Gähsnitz aus 10. Und aus Frombsdorf
kommt der sogenannte Thonbauer dazu, aus Hoyersdorf Ja-
cob Speck, der aber schon zu Ziegelheim gerechnet wart. Und
besteht also der ganze Düngestuhl ohne den beyden Gemeinde-
häusern zu Ziegelheim und Uhlmansdorf und der Mühle zu
Nieder-Arnsdorf aus 167 Feuerstädten, mit denselben aber

aus 170. Wenn aber zu der hiesigen Kirchfahrt Gäsnitz nicht
gehöret, denn es gehet dieses Dorf nach Oberwiera, darüber
der Herr Graf zu Waldenburg auch das „Jus patronatus“ („Patronatsrechts“) hat,
zur Kirche und der Thonbauer welcher nach Frombsdorfen
gepfarret ist, so macht die gantze Kirchfahrt mit Pfarre,
Schule und Lauthaus 162 Wohnhäuser oder Feuerstätten aus.
Auch ist von dem hiesigen Orte mit Inbegriff der dazu gehö-
rigen Dorfschaft zu merken, daß er den Nahmen Dünge-
stuhl führet. Woher ihm dieser Nahme gekommen, ist nicht ge-
wis auszumachen, sintemal die historischen Nachrichten hier-
zu ermangeln. Alles was sich davon sagen läßt, be-
ruht auf bloßen Muthmasungen. Die allerwahrschein-
lichste darunter ist diese und hiermit stimmet auch die Schön-
burgische Historie überein, daß dieser Ort von dem regie-
renden Herrn von Schönburg zu Waldenburg zu einem
Leibgedünge vor seine Fräulein Tochter ist bestimt ge-
wesen, denn sonst sähe man gar keinen Grund ein, wie
es nach Rochlitz, nach Wildenfels, ja nach Meuselwitz gekommen
wäre. Nun hätte es zwar durch Versetzungen auch gesche-
hen können: Alleine da aus der Historie bekanndt, daß sich
die beyden Häuser, nämlich das Burggrafenthum zu Leißnig
und Haus von Schönburg zu Waldenburg durch wechelsweise
Verheyrathungen verbunden, so kann es auch seyn, daß es auf diese Weise
mit nach Rochlitz gekommen, welches vermuthlich zu den jetz
erwähnten Burggrafenthum gehöret. Durch Absterben aber der Fa-
milie ist es wieder zu seinen ersten Herrn gekommen. Gleiche Begründ-
nis mag es auch gehabt haben, zu der Zeit, da es die Fräulein
Benigna von Schönburg mit nach Wildenfels gebracht. Es heißt
zwar in einer von Magister Anger beygelegten Nachricht, daß sie
es von ihrem Groß Herrn Vater zum Vermächtnis bekommen.
Vielleicht aber kann es ob dessen geschehen sein, weil dieser Ort
vor die Fräulein oder Comthess von Schönburg-Waldenburg
zu einem Leibgedünge bestimmt war.

2.
Was die geistliche Jurisdiction (Zuständigkeit) anbelangt, so hat solche gegen-

wärtig das hochlöbliche Consistorium zu Leipzig. Vorhin ge-
hörte solche dem Consistorio zu Glaucha zu, als woselbst der
hiesige Pfarrer und Schulmeister examiniert und confirmiert
wurden. Weil aber Ziegelheim unmittelbar Chursächsisches
Lehn hat, so hat von anno 1715 das hohe Consistorium
„nomine principis Summa jura episcopalia“ zu Zwickau ge-
(„im Namen des Fürsten die höchsten bischöflichen Rechte“)
fordert und ist die geistliche Inspection, statt, daß sie sonst
bey der Superintendur Waldenburg war, von da an dem
Herrn Superintendent zu Zwickau aufgetragen worden. Der
gegenwärtige Hochehrwürdige Herr Ephorus ist Herr Magister
Johann Gottfried Weller, „pastor primarius“ („Haupthirte / Oberpfarrer“) zu Zwickau und
der dasigen Dioeces hochansehnlicher Superintendens. Der weltliche
Inspector der jedesmalige Gerichts-Director und also ge-
genwärtig der obenbenahmte Herr Secretarius Walther.
Des Pfarrers Name ist aus der Unterschrift zu ersehen.
Das Schulamt ist gegenwärtig mit einem Seniore, der Altershal-
ber gar nicht mehr in der Schule arbeitet und einem Substi-
tuto besetzt. Der Senior heißt: Herr Johann Friedrich Engel-
mann, der an die 45 bis 46 Jahre dieses Amt verwaltet.
Der Substituto aber ist Herr Carl Friedrich Rauch, der schon seit
8 Jahren diese Stellerühmlich begleitet.
Was das hiesige Kirchenvermögen anbetrifft, so besteht solches
aus 2 actariis (Buchhaltungen), nämlich dem Kasten-Vermögen und Kirchen-
vermögen. Daher aber sind auch gedoppelte Vorsteher.
Die jetzigen Kirchen-Vorsteher sind:
1) George Eichler alhier ob bey dem Schmidte-Gartenwohn-
haus, Gärtner und Nachbar und der Zeit Rechnungsführer.
2) Michael Zeißig aus Uhlmansdorf, Häusler und Nachbar.
3) Gottfried Trenckmann, Gärtner und Nachbar alhier.
Auch ist zu gedenken, daß seit anno 1765 eine Ein-
richtung bey der Administration des hiesigen Kirchen-Ver-
mögens gemacht worden. Statt, daß sonst alle 3 Kirchen-
vorsteher Gelder einnahmen und ausgaben, so hat jetzt nur
einer, nämlich der Rechnungsführer Einnahme und Ausgabe.
Es wird dadurch viele Unordnung, die der Kirche schädlich

war, vermiethen. Auch gehet das Amt des Rechnungsführers
Reihe um und wechselt alle Jahr. Dieses gilt auch von dem
Kasten-Vermögen. Desselben Vorsteher sind:
1) Jacob Zeißig, Erb- und Schenckwirth, wie auch Gärtner und Nachbar.
2) Johnn Hertzsch, Handbauer und Nachbar zu Uhlmannsdorf.
Das in der Kirchen und Kasten befindliche Vermögen besteht und zwar
das Kirchen-Vermögen zuzüglich Steuer- und Zinß gehörigen Kapitalien
aus 2435 Reichsthalern, 9 Groschen, 9 Pfennigen.
Rester: 954 Reichsthaler, 7 Groschen, 11 Pfennigen.
Das Kasten-Vermögen: Capitalien 777 Reichsthaler, 20 Groschen, 2 Pfennige.
Reste: 341 Reichsthaler, 14 Groschen, 6 Pfennige.
Die unter geistlicher „Jurisdiction“ („Zuständigkeit“) stehenden Gebäude sind:
1) Das vortrefflich schöne Gotteshaus, desgleichen auf den Dörfern
nicht viel angetroffen werden. Es ist diese Kirche von Grunde
aus steinern und durch und durch künstlich gewölbt also, daß
das gantze Gewölbe auf frei in der Mitte untergesetzten Pfei-
ler aufruht. Alle außen um die Kirche angebrachten Pfeiler
sind von Rochlitzer Werkstücken ausgeführt. So prächtig das
Gebäude selbst, so schön sind auch Altar, Cantzel und Tauf-
stein. Auch ist das Gewölbe gantz fein gemahlet und die Em-
por mir religiösen und biblischen Schilderungen oder Ge-
mählden gezieret.
Die Zeit ihrer ersten Erbauung ist aus Mangel der Nachrich-
ten nicht auszumachen. Eine einzige Nachricht befindet sich
in dem alten Kirchenbuch und besaget so viel, nämlich daß
1507 einem Steinmetzger aus Rochlitz Nahmens
Paul Pausch(e) der thurm zu bauen und die Kirche zu
wölben vor Hundert und zwanzig gute Schock für
des Chor zu verfertigen, die Steine auszuhauen und andere
unbenahmte Arbeit erhalten. Laut eben dieser Nach-
richt soll er 8 Jahre darüber gebauet haben. Es ist aber
aus einer im Gewölbe über dem Altar deutlich ausge-
druckten Jahreszahl 1518 zu vermuthen, daß der gantze
Bau ersth nach 11 Jahren zu Stande gekommen.
Auch gibt der hiesigen Kirche das dabey befindliche Vor-

treffliche Gelaute einen Vorzug vor andern Kirchen. Es
besteht aus 3 Glocken, womit der Gottesdienst jedesmahl
verkündigt wird und einem schönen, hellklingenden Glöcklein,
auf welchem die Vierthel Stunden angegeben werden und einer,
aber zersprungenen Glocke, da die Stunden ausgeschlagen
werden. Die mittlere Glocke ist nach der Reformation zu
Gera vor 300 Reichsthaler umgegossen worden. Die 2 andern
als die große und kleine Glocke sind schon in dm Pabst-
thum angeschafft worden und so viel die Aufschrift der gro-
ßen lehret im Jahr 1501. Die kleine vermuthlich noch viel eher.
Die noch übrigen, unter geistlicher Jurisdiction befindlichen Gebäude sind
2) Die Pfarrwohnung, welcher Haupt- als Wirtschafts- Ge-
bäude sehr alt und baufällig. Doch soll das Haupt- oder Wohn-
Gebäude und der Hauptstall auf künftige Jahre G.G. (Gebe Gott..?)
auch gebauet werden. Und zwar soll das Wohngebäude nach
dem gefertigt, und zur „approbation“ („Genehmigung“) an das hochlöbliche Con-
sistorium eingeschickt, Anschlag (die Ausschreibung) dahin wo jetzt der Thorweg
ist vor 1700 Reichsthaler und das Wirtschafts-Gebäude mit Zu-
ziehung des alten Holzet, Thüren und Eisenwerks vor 200 (Reichsthaler..?)
auf den Platz, wo bisher die Wohnung des Pfarrers ge-
standen, gebauet werden. Das
3) Gebäude ist die Schule, welche vor etlichen 40 Jahren von Grund
aus „ex avarii sumti tes“ („von den Gierigen genommen“..) neu gebauet worden. Endlich
4) gehöret auch noch das Lauthaus, ein altes Gebäude dazu.

3.
Billig melden wir auch meiner lieben Nachkommenschaft in
welcher Verfassung sich die hiesige Kirchfarth in Absicht
der Religion befunden. Gott sey ewig gepreiset, daß der
von Gott durch seinen theuern Rüstzeug Lutherum wie im
gantzen Churfürstenthum Sachsen, also auch hier aufge-
steckte hellbrennende Leuchter des Evangelii noch nicht
von seiner Stätte gewichen, welcher Gnade wir Evangelischen
Christen uns leider(!) bisher nicht würdig gemacht haben, denn eine
klägliche Erfahrung sagt mehr als zu deutlich, daß so hoch die

Wißenschaften überhaupt und auch besonders was die Got-
tesgelehrtheit betrifft, hinausgestoßen, ja man kann sagen, den
höchsten Gipfel erreicht; so sehr hat auch der Unglaube das
Haupt empor gehoben. Spotterey in öffentlichen Schriften und Frey-
denkerey in Religions Wahrheiten sind sehr gemein (verbreitet). Wie
viele evangelische Christen werden gefunden, die „Socinianer“ sind
(auch „Unitarier“ genannt),
welche den Gotthe Christi leugnen und ihn vor einen tugendlichen Herrn
anpreisen. Wie viele hengen dem Dippelianismo an, der den
Haupt Artickel unsers christlichen Glaubens von der Rechtfer-
tigung, nämlich das niemand Vergebung der Sünden erlanget,
als nur wahrhaftig an Jesus Christus den wahren Gottensch, der
am Stamme des Creutzes für die Menschen gestorben und eine ewi-
ge Erlösung erfunden hat, glaubet, umkehrt. Auch gibt es
Thoren, die dem „Spinozismo“ („Spinozismus“) anhängen, welchen Gott und die
Welt zu einer eintzigen Substanz machet und die übrigen
Substanzen zu blosen phaenomenis verordnet. Doch un-
ter aller Gethuerey und schädlichen Erfindungen des ver-
dorbenen, sündlichen, Vernunft und Hetzens ist wohl der Her-
schenste ein philosophisches Christentum, da sich nicht
die Philosophie nach den in der Offenbahrung kund-
gemachten Willen richtet, sondern, da man der Reli-
gion nach eines jeden philosophischen Begriffes, die doch
nicht Vernunftwahrheit sind, vürmelt (vermeldet). Daher glaubt und
nimt ein jeder vor wahr an, was frei (?)  hier her gefält und
und so richtet er auch nicht nach dem Willen seines Höchsten
Gesetzgebers, sondern nach seinen herrschenden Leiden-
schaften, sein Thun und Lassen ein. Was Wunder, wenn
daher der der Unglaube alles erstickt aber auch den Aber-
glauebn verdränget? Was Wunder wenn Verachtung des
göttlichen Worts Halbsinnigkeiten, ein eitles Wesen und der Bauch und Mam-
monsdienst an Statt des lautern und vernünftigen Gottes-
diensts treten. Ach! und daß wir es nicht sagen dürfen, ist
in vielen Hertzen die erste und wahre christliche Liebe verloschen.
Doch hoffen wir auch, daß sich der Herr und ebenso der Erzbischof
und Hirte Jesus Christus in jeder Gemeinde und also auch hier, noch einen

edlen und guten Saamen, der mit der Zeit Frucht tragen wird
in Gedult, wird übrig behalten haben, der Herr (?) sogar solches, daß
er nicht von dem Unkraut ersticket werde, sondern daß
er dieselbe vielmehr vertilge.
Was die Reformation dieses Orts angehet, so läßt sich gleich-
fals nichts zuverlässiges melden, in Absicht der Zeit, wann sol-
che erfolget, als dieses, daß, wie selbsten eine von den alten
in der Kirchen Knopfe wieder verwahrten Nachrichten lehret,
dieselbe vor anno 1530 noch nicht erfolget war. Vermuth-
lich ist solche auch alsdenn zu Stande gekommen, da die Herren
von Schönburg in ihren Landen reformiert.
Sichren Nachrichten nach, die ich selbst auf der Superintendur
zu Waldenburg gelesen, ist die hiesige Kirchfarth vor
der Reformation viel stärcker gewesen, als jetzt. Es ha-
ben zu solcher laut diesen Nachrichten noch Frombsdorf,
Hinter Uhlmansdorf, Gernsdorf, Geppersdorf und
Nerckendorf gehöret, die aber alle abgewisen und Al-
tenburgisch sind. Statt diesen aber ist post Reforma-
tionem als Filia Francken zu dieser Pfarre ge-
schlagen worden, welches etliche Minuten über einer
Stunde weit von hier liegt und einen sehr unbeque-
men Weg von hier aus hat.

4.
Noch wollen wir den Nachkommen, ach und Gott gebe daß
sie noch in dem hellen Licht des Evangelii und demselben
würdiglich wandeln mögen, kurtze Meldung von den der-
maligen Zeitläuffen, die wir erlebt und in welchen wir
stehen thun. Kann man irgend von Zeiten, die unsre
Vorfahren und wir erlebt, sagen, daß sie sehr schlecht wa-
ren, so sind es wahrhaftig die jetzigen. Wie die Nahrung
täglich schlechter wird, so nimt auch eben so sehr ein al-
gemeiner Geldmangel zu. Auch daß wir doch die Ursa-
che in unsern Sünden und den Misbrauch seiner Güter such-

ten! Mit recht nennen wir alle diese Umstände, auch Fol-
gen des im Jahr Christi 1763 „meche Martio“ („im März“) geendigten,
fast 7jährigen, leidigen Kriegs. Erlaube mir geliebter
Leser! daß ich dir von demselben nur mit wenigen Worten
einen kurtzen Unterricht gebe. Es hatte derselbe in kur-
tzer Zeit so um sich gegriffen, daß man fast in gantz Eu-
ropa nur eine Krieges Flamme brennen sahe. Den
Anfang macht der König in Preußen, welcher zu Aus-
gang des Augusts 1756 durch Sachsen nach Böhmen gieng,
die Kayserlichen Völcker daselbst anzugreifen. Die Ursache
die er in seinem Manifeste kundmachte war, daß Oesterreich
und Sachsen einen geheimen Tractat errichtet haben sollen,
vermöge dessen sie sich in seine Lande theilen wolten.
So viel konte wohl seyn, daß Oesterreich sein Auge
auf Schlesien gerichtet und solches seinem Scepter wieder
unterwürfig machen wollte, welches der König in Preußen
durch den 1745 zu Dresden geschlossenen Frieden vollends entzogen. Was
das übrige von den wahren und falschen Ursachen dieses Krieges be-
trifft, daß mögen die Nachkommen aus der weltlichen Geschichte
erlernen. Nur dieses halten wir noch vor unsere Schuldigkeit
„in tribus verbis“ („Hommage an Worte“) auszuführen, daß das geliebte Chur-Sach-
sen unser Vaterland am meisten ins Gedränge gekommen
und den beträchtlichsten Schaden auch auf die folgenden Zeiten da-
von gehabt. Denn nachdem der König in Preußen unser
geliebtes Vaterland als ein „Depot“ („Kaution“) in Besitz nahm, so sind
nicht nur durch Recroutirungen viele 1000 junge Leute aus
dem Lande gekommen und getödtet worden, sondern es hat auch
Sachsen unzählbare Summen an Geld, Getraidig, als Korn
und Hafer, an Stroh und Heu, an Betten, Tüchern, Leinwand
und andern Kriegs Bedürfnissen hergeben müssen; als auch es sind
auch außer den „ordinairen Landes Revennee“ („gewöhnliche Landes-Einnahmen“) unbeschreibliche
„Contributiones“ („Beiträge“) gefordert und häufig mit militairischer

Schärfe eingebracht worden. Zum Beweise dessen können dir
mein lieber Leser die von dem gegenwärtigen Richter
George Etzolden eigenhändig Sub A et B überge-
benen Specificationes der Steuern und Quatember (Quartals-Abgaben) und
Lieferungen, nächst Contributionen belehren. Viele Kleinig-
keiten sind nicht angemerket und die Kosten der Einquar-
tierungen und Durchmärsche, als auch das Versäumnis beim
Bothenlaufen nicht berechnet. Was aber die sämtlichen „Prae-
standa“ („Bereitstellungen“) so an baaren Geld, als zu Geld angeschlagen schon in
Ziegelheim 68.474 Reichsthaler 17 Groschen 1 Pfennig betragen; O! so ur-
theile was dieser Krieg einen eintzigen Creise, ge-
schweige dem gantzen Lande kostete. Doch diese schädlichen
Folgen sind es noch nicht alle. Es gehöret auch weiter zu den-
selben, daß so Preußen als Oesterreicher sich alle Mühe
gegeben, unsre besten Fabricanten mit aus dem Lande zu locken,
oder doch die besten Vortheile in den selben von ihnen zu erlernen.
Noch mehr, dieser Krieg hat viele zu Handlangern gemacht,
theils indem sie sich durch Mosqueten gemühet, theils, weil
sonsten viel Geld zu verdienen war, daß auch Stunden zum Misig-
gang übrig blieben. Den beträchtlichsten Schaden aber hat uns
derselbe dadurch zugeführt, daß Stoltz und Hochmuth, Fressen
und Sauffen, Kauerey (?) und Unzucht dadurch erlernet und getrie-
ben worden sind. Daher wird der Mangel um so viel
mehr empfindlicher und größer, je mehr wir Ueberfluß
und unendliche Unterhalts-Mittel fordern. Es ist wahr,
Gottes Güte und Gnade ist unbeschreiblich groß nächst seinem vä-
terlichen Verschonen gegen uns gewesen. Denn bei Men-
schen Gedencken hat Handel und Wandel nicht so
gestanden und ist die Nahrung nicht so überflüssig gewe-
sen, als in diesem Kriege. Ja niemals ist das Geld so ge-
mein (?einfach?) und ich möchte sagen so vernichtet gewesen, als damals,
das man hat angemercket, daß jeder Kuhhirte es Thaler

Weise im Schubsack getragen, theils, weil der Werth ge-
ringer war als vorhin, theils, weil Geld genug zu ver-
dienen war, theils weil die Lebens Mittel auf einen solchen
Preis hinangestiegen, da gleich sich kein Greis er sey so
alt, als er wolle, zu entsinnen weiß. Zur Erläuterung
dieses letzten, will ich dir O! Leser ein Verzeichnis der Preise
der nöthigsten Bedürfnisse mittheilen und zwar wie sie haupt-
sächlich vom Jahr 1762 bis 1763 beschaffen gewesen.
1 Scheffel Korn (Roggen) galt 20 bis 28 Reichsthaler
1 Scheffel Weizen auch etliche 20 Reichsthaler
1 Scheffel Gerste 12 bis 13 Reichsthaler
1 Scheffel Hafer 12 bis 16 Reichsthaler
1 Centner Heu 1 Reichsthaler 12 Groschen bis 2 Reichsthaler
1 Schock Schütte-Stroh 5 und mehr Reichsthaler
1 Kanne Butter Waldenburgisches Maas 1 Reichsthaler 12 Groschen, auch 2 Reichsthaler
1 Schock Hauß Leinewand 24 – 30 Reichsthaler
1 Elle gute Zeug (? Stoff?) 1 Reichsthaler bis 30 Groschen
1 Elle schlecht Tuch 2 Reichsthaler
1 Clafter weiche Scheite 8 Reichsthaler, harte 10 Reichsthaler
1 Schock Reißholtz (Reißig zum Anfeuern) 5 Reichsthaler
1 Pfund Fleisch 5 bis 6 Groschen
1 Pfund Caffee á 1 Reichsthaler bis 1 Reichsthaler 8 Groschen; desgleichen
1 Pfund Zucker 1 Reichsthaler und daneben
1 Paar Schuhe 2 Reichsthaler und bis 16 Groschen
1 Paar Stiefeln sind 6 und mehr Reichsthaler
1 Hufeisen 6 bis 8 Groschen bis zuletzt 11 und 12 Groschen
1 Kuh 40 bis 50 Reichsthaler
Und in dieser Proportion stund alle Lebens Mittel. Auf diese
Weise war sehr leichten Geld zu verdienen. Aber hierraus ist
auch die große Weisheit Gottes, die alles wohl und herrlich
ordnet abzunehmen. In wie sehr preiste sich nicht damals
Gottes Güte an uns. Niemand aber empfand die Last des Krie-
ges mehr als die Geistlichen, die um (für) baares Geld dienten.

Denn diese mußten alles theuer einkaufen und erhielten doch
ihre Besoldung in schlechtem Geld.  
Gantz anders verhalten sich gegenwärtig die Preise.
1 Scheffel Korn gilt 2 Reichsthaler und 12 bis 16 Groschen
1 Scheffel Weitzen, der doch schlecht gerathen (?), das er giebt wenig Kör-
ner, gilt 4 Reichsthaler 12 bis 20 Groschen
1 Scheffel Gerste 1 Reichsthaler 16 bis 20 Groschen
1 Scheffel Hafer 1 Reichsthaler 4 bis 8 Groschen
½ Pfund Butter hat bisher 0 Groschen 16 Pfennige bis 1 Groschen, auch 1 bis 2 Pfennige drüber gegolten.
1 Kuh 8, höchstens 10 Reichsthaler.
Und so sind vollends der Fabricanten Waaren noch weit mehr
gefallen, sintemal die Fabriquen gantz darnieder liegen.
Doch empfindet der Landmann diese beschwerlichen Zeiten fast
am meisten. Die Preise, dessen was sie zu verkaufen haben,
sind nur mittlere und das was sie an Schist (?)   und Geschirr bedür-
fen, ist noch in hohem Werth. Zum Beispiel ein Huf-Eisen gilt noch 4 Groschen,
eine Schraube (?) zu einem Rad statt, das es sonst 1 Altes Schock (20 gute Groschen) gegol-
ten, kostet jetzt 2 Alte Schock und das Beschlag dazu, statt 3 Reichsthaler ....
5 bis 6 Reichsthaler; desgleichen ist auch das Gesinde noch nicht auf die
vorigen Preise herunter gewichen (?). Ein Tagelöhner bekomt, das
Essen nicht gerechnet, täglich 2 Groschen 3 bis 6 Pfennige. Ein Knecht jährlich 22 – 25
auch 27 bis 28 Meißnische Gulden (1 M.Gulden, auch Florin genannt, zu 21 Groschen),
nächst 1 Maas ausgesieten (?) Lein und obran
ein gutes Hemd zum heiligen Geist (? / für die Gottesdienste ?). Die Mägde durchgehends
12 Meiß. Gulden Lohn. 24 bis 26, ja auch wohl 30 Ellen halb mitlere,
halb gute Leinewand jeher. 2 bis 3 Maas Lein wird ihnen aus-
gesiet (?) und zum heiligen Geist verlangen sie neue Bett(be)züge, die 2 Reichsthaler
und darüber gilten. Urtheile selbst, O! Leser, was die Landesherrlichen
Abgaben entrichtet und Gesinde, Taglöhner, Schist (?) und Geschirre be-
zahlet wird, wie viel dem Landmann von seiner Mühe und Ar-
beit bleibet. Dieß ist es, was ich dir aufrichtig überschreiben wolte.
Ich schließe nun mehro.

5.
Mit hertzlichen (?) Wünschen, Flehen und Gebet zu Gott. Du Gott der Heerschaaren
und Herr aller Herren, dir empfehlen wir zuerst zur väter-
lichen und gnädigen Aufsicht das gesamte Chur-Hauß Sachßen,

besonders aber unsern Durchlauchtigsten Landes Vater. Halte
deine Augen offen über Ihm. Schencke Ihm Kraft und Stärcke aus
der Höhe zu seinem geistigen, als leiblichen Wachsthum. Segne Sein
muntres (?) Alter und mehre Seine Tage also, daß wie er jetzt al-
ler getreuen Unterthanen Hofnung ist, er dereinsten unsre wahre
Freude und Trost sey. Sende deine Weisheit zu Ihm und laß sie Ihn
stets begleiten, wenn er sein gesegnetes Regiment selbst antritt.
Unter Seinen Räthen sey kein Ahitophel, sondern lauter
Väter des Landes. (Ahitophel erhängte sich, als man seinen Ratschlägen nicht folgte)
Auch treuer Gott müße der junge Graf und Herr unser gnädiger
Gerichts-Herr in deinen Augen so threu und geachtet seyn, als
werth uns unser Augapfel ist. Er ist ein Vater- und Mutter-
loser Wayße, sey du daher sein Vater und erbarme du dich
über Ihn wie sich ein Vater über Kinder erbarmet. Herr
gängel/gärgle (?) und leite Du Ihn selbst. Deine guten Engel behüten Ihn
auf allen seinen Wegen. Sein Hertz sey eine Hülle frommer
und wahrer Tugend und der Glaube an Jesus Christus die Zierde seiner Seele.
Setze Ihm stets redliche Männer zur Seite, die Seine Erzie-
hung besorgen und über Sein Wohl wachen. Herr sende Ihm Hilfe
von deinem Heiligthum und du Gott Jacobs stärcke Ihn, daß
seiner Tage viel werden, daß er der eintzige aus dem hoch-
gräflich Steinischen Hause (von Schönburg-Stein) ein Stamm werde, der sich in viele ge-
segnete Aeste also ausbreite, daß Seine Nachkommen bis zum
Untergang der Welt mit vieler Weisheit und Gerechtigkeit über Ihre Un-
terthanen herrschen und regieren. Herr erhöre Ihn auch in der Noth
und gieb Ihm was Sein treues Hertz Gutes begehret. Herr
laß es Ihm ergehen nach dem Wunsch der Großen in der
Welt und beweise, daß er Dein Gesegneter sey.
Herr hebe aber auch noch ferner hin an zu segnen, diß Hauß und
diese gesamten Gemeinde. Cröne mit Segen, Gnade und Heil
die beyden Herrn Inspectores über diese Kirche. Segne den
gegenwärtigen, rechtschaffenen Herrn Directorder hiesigen Gerichte
und treuen Mitarbeiter deselben. Sitze du selbsten mit auf die
spätesten Zeiten in diesen Gerichten. Laß auch fürderhin, wie jetzt,
kein Ansehen der Person, kein Annehmen der Geschencke und anderer
widerrechtlicher Mittel darinnen, herrschend werden. Laß Sie dis
Recht also handhaben und Gericht halten, wie sie es vor Dir dem
höchsten Richter verantworten können. Laß Herr Güte und Treue

in dieser Gemeinde sich einander begegnen und Gerechtigkeit und
Friede sich küßen. Laß deinen Himmel stets treufeln den Se-
gen über diese Gemeinde und alle Einwohner darinnen. Fer-
dere (Fördere ?) o! Gott des Segens und Gedeiens ihr Gewerb und Handthier-
rung und bewahre vor allen Uebel Leibes und der Seelen; Laß
keine Plage zu Ihren Hütten sich nahen, wohl aber Heil und
Gnade, Ruhe (?) und Friede stets unter ihnen herrschen bis sie derein-
st alle aufgenommen sind in die stoltzen Häuser des Frie-
dens und zur ewigen Ruhe des Himmels.
Besonders mein Gott müßtest du dir den hiesigen Weinberg
und schönen Pflantzgarten, die du dir selbst erbauet und bis-
her so gnädiglich darüber gewachet und sie vor allen Un-
glück, Feuers Brunst, Zerstörung durch feindselige Königen, Ke-
tzerey und allen Unglauben, etc. behütet, diese mußt du dir selbst
im Land (?) erhalten. Sende in dein Weinberg stets weise und ver-
ständige, treue und unermüdete Arbeiter. Lege ihnen dein
Recht und dein Wort in ihren Mund. Gib den selben bald die
Kraft des deuens (?), der die aufrichtbaren Hertzen erschüt-
tert und fruchtbar macht, bald laß es seyn einen heilsamen
Balsam aus Gideon, der die verwundeten und erquickungs-
bedürftigen Hertzen heilet und erfreuet. Dein Wort, wel-
ches ist unsers Hertzens Freude und Trost und ein Licht auf un-
sern Wegen, müße stets rein und lauter deiner Offenbahrung
und den Symbolischen Büchern gemaes darüber (?) geprediget
werden. Deine Sacramente nach Christlicher (?) Einsetzung (?) verwal-
tet und jedem Christen (?) der Weg zum ewigen Leben richtig ge-
zeiget werden. Auch arbeite mit den Lehrern in diesem
Pflantzgarten. Laß sie seyn eine Werckstatt des Heiligen
Geistes und laß daraus gehen nur Pflantzen zu deinem
Preiß und Ehren. Diß wünschet der Verfasser, der noch zum
Schluss betet.
Es dancke Gott und lobe dich das Volck in guten Thaten.
Das Land bringt Frucht und bessre sich (;) dein Wort ist
wohl gerathen.
Uns segne Vater und der Sohn, uns segne Gott der Heilige Geist.
Den alle Welt die Ehre thut, für ihm sich fürchtet allermeist.
Nun st..cht (?) von Hertzen. Amen.
Ziegelheim den 1.Octobris 1767.
Wilhelm Christian Leupold. Pfarrer alhir
und zu Franken.
Lichtenberga-Baruthinus, der erst 5 und ¼ Jahr Cantor zu Wal-
denburg, 2 und ¾ Jahr Pfarrer zu Oberwiera und 2 und ½ Jahr Pfarrer alhir
gewesen. Alter 35 Jahre 9 Monathe.

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Werte Leserschaft,
wer sich durch soviel Text gearbeitet hat, zieht am Ende Bilanz, fragt sich, was man mitnehmen kann an Erkenntnissen.
Ich selbst habe einen Aha-Moment gehabt. Bin etwas erstaunt. Warum? Nun, im allgemeinen Geschichtsverständnis (Geschichts-Unterricht,..) ist von dieser Zeit überliefert, das der Bauer rückständig und ungebildet als Feudal-Sklave auf den Feldern seines Herrn schuftete. Dies mag in anderen deutschen Gebieten so gewesen sein – in unserer ostthüringisch-westsächsischen Heimat war es dies vielerorts aber nicht. Wir befinden uns in der Zeit des Spätbarock und der beginnenden Aufklärung. Zu dieser Zeit entstehen im Churfürstentum Sachsen die ersten Universitäten, das Land gilt als eines der fortschrittlichsten und reichsten im Heiligen Röm. Reich deutscher Nation. Im angrenzenden Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg beginnt sich eine reiche bäuerliche Oberschicht herauszubilden, da sich viele Landadelige lieber dem Hofleben in der Residenzstadt Gotha widmen und ihre Rittergüter an vermögende Bauernfamilien verkaufen (Dieser reale Besitzwechsel ändert aber nichts an den Lehens-Eigentumsverhältnissen! Nur Adlige dürfen Land besitzen!). Meist – und das passiert im benachbarten Sachsen / den Schönburger Landen genauso – werden in dieser Zeit in unserer Region die Rittergüter aufgelöst und die Ländereien den Leibeigenen überlassen. Diese haben Abgaben dafür zu erbringen – anfangs in Naturalien, recht bald aber auch in Geld. Dazu kommen jährliche Fron-Tage, die am Schloß/Rittergut abzuleisten sind. – In dieser Zeit des 7jährigen Krieges (3.Schlesischer Krieg) geht es im Kern darum, das Österreich seine an Preußen abgetretenen schlesischen Gebiete zurückerobern will. Das mit Österreich verbündete Sachsen dient dabei als Aufmarsch-, Durchmarsch-Gebiet, schließlich als „Versorgungsbasis“ für Preußen. Sachsen (und auch Ziegelheim) wird regelrecht ausgeplündert, unzählige Männer werden verschleppt und in die preußische Armee gepresst, Bauern werden zu Fuhrdiensten gezwungen.. über Jahre hinweg. Diese „Contributionen“ sind genau verzeichnet und überliefert und lassen einen erstaunen: gigantische Geldsummen und Sachwerte wurden allein in unserer Kommune aufgebracht.. – und dennoch: genau in diese Zeit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts fällt eine große Bauphase – viele Bauernhöfe werden umgebaut, vergrößert. Neue Wirtschafts-, Stallgebäude und Scheunen entstehen – es gibt einen bäuerlichen Aufschwung. Viele Inschriften (einige sind bis heute erhalten geblieben) an den Balken der Fachwerke datieren aus dem 18.Jahrhundert. Und das trotz großer finanzieller und Kriegs-Schäden und auch vieler Verluste an Männer-Leben. Eine kleine Begründung dafür findet sich im obigen Text – es scheint eine über mehrere Jahrzehnte andauernde günstige klimatische Lage in Mitteleuropa gegeben zu haben, die große und gute Ernten bescherte und half, die Versorgung der Bevölkerung und auch der Armeen zu sichern. Ein letzter interessanter, oft nicht ernst genommener Fakt, ist die Bildung. Der Wohlstand der hiesigen Bauernfamilien, vielleicht die große Eigenverantwortung für den eigenen Hof – all dies führte in unserer Heimat wahrscheinlich zu einem hohen Bildungsstand, zumindest aber zu einem hohen Wissensstand. Es ist erstaunlich, wie genau die dörfliche Gesellschaft und die Würdenträger der dörflichen Kirchgemeinden über die Weltlage, das eigene Land, den Krieg – eigentlich über fast alle Dinge genau Bescheid wußten..

Michael Etzold, Heimatforscher

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