Heimatforschung Ziegelheim

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Hochwasser63

Vor Sechzig  Jahren – „Der Wetterbericht aus Ziegelheim“

„Das neue Jahr 1963 begann mit -15 Grad, stieg im ersten Drittel auf -22 Grad. 46 Tage führte der Frost sein grimmiges Regiment, ehe er uns ab 25.Januar Milderung gönnte. Für das Rodeln und Skifahren war es das günstigste Wetter. Die Kehrseite: überall eingefrorene Wasserleitungen, der Bach total vereist. Hoffentlich setzt nicht andauerndes Tauwetter ein. Das gibt katastrophale Überschwemmung!“ – so schreibt der Chronist seine Befürchtungen im Januar nieder.
Die Frostperiode, die am 20.Dezember 1962 begann, hielt bis fast zur Mitte des Februar an. Täglich berichteten Presse und Rundfunk von heroischen Taten in den Tagebauen, in den Energiewerken und den Verkehrsbetrieben. Nicht vergessen werden dürfen all die, die mit der Fütterung der Tiere in den LPGen zu tun hatten. Wie schwierig gestaltete sich die Futterzufuhr. Eingefroren die Wasserleitungen. Das Wasser mußte oft Hunderte von Metern aus Brunnen geholt werden. Etliche Genossenschaftsbauern unterstützten in Rositz die Kumpel im Kampf gegen Frost und Schnee. Es kam zwar um die Mitte des Februar zu starker Frostabschwächung, richtiges Tauwetter setzte jedoch nicht ein. Noch saß der Frost 60 – 80cm in der Erde. Langsam schmolz die Schneedecke. Reichlicher Schneefall ließ sie jedoch wieder anwachsen.
Um für alle Fälle bei schnell eintretendem Tauwetter gerüstet zu sein und einer Hochwassergefahr entgegenzutreten und diese zu verringern, erarbeitete der Rat der Gemeinde in seiner Sitzung am 12.Februar gemeinsam mit der Kommission Ordnung und Sicherheit und der Freiwilligen Feuerwehr einen Maßnahmeplan. Es wurde eine Einsatzleitung gebildet aus dem damaligen Bürgermeister Erich Arlt, dem Wirkungsbereichsleiter der Freiwilligen Feuerwehr Alfred Sittel, dem Kommandostellenleiter der Freiwilligen Feuerwehr Werner Krause und dem Abschnittsbevollmächtigten Karl-Heinz Pohle. Die Bachanlieger wurden angewiesen, alle den Ablauf des Wassers störenden Hindernisse zu beseitigen. An allen in Ziegelheim und Ortsteilen befindlichen Brücken (10 an der Zahl) wurden in den, den Brücken am nächsten liegenden Gehöften je zwei Stangen bereit gestellt, um durch Beseitigung der stauenden Schneemassen den Wasserfluss zu sichern. Der Bachlauf von Lory bis Lungwitz wurde sofort durch Einsatz von zusätzlichen Arbeitskräften von den Schneemassen geräumt um den Ablauf des Schmelzwassers zu sichern.
Für die als besondere Schwerpunkte zu bezeichnenden LPG-Gehöfte Müller, Heinz und Schmidt, Albert wurde sofort ein Umstellungsplan für das Vieh erarbeitet. Die Umstellung sollte im Ernstfall wie folgt vorgenommen werden: 1.Der Kuhbestand aus dem Gehöft Müller wird in die Scheunen bei Fritz Werrmann und Alfred Wirth umgestellt. 2. Zwei Pferde zu Erna Weber und zwei zu Fritz Werrmann. 3. Der Rinderbestand aus dem Gehöft Schmidt, 7 Stück in die Viehsammelstelle und 4 Stück zu Ewald Winter. 4. Der Schweinebestand in die Ställe bei Ewald Winter und in eine Bucht der Viehsammelstelle.
Die Ortsteile Ziegelheim und Uhlmannsdorf wurden in vier Abschnitte eingeteilt und für jeden Abschnitt ein verantwortlicher Feuerwehrmann eingesetzt, mit der Maßgabe, das dessen Anweisungen von seiten der Kameraden der Wehr als auch der eingesetzten Einwohner Folge zu leisten ist.
Für den Fall der Alarmierung wurde zudem folgenes festgelegt: 1. Bei Auslösung des Alarms ist sofort das Volkspolizei-Kreisamt, Abteilung Feuerwehr, in Kenntnis zu setzen. 2. Das Telefon im Gemeindeamt ist für die Dauer des Einsatzes zu besetzen, um laufend aus den Abschnitten eingehende Meldungen entgegen zu nehmen und an den OP-Stab in Altenburg weiterzuleiten. Den Dienst im Gemeindeamt übernehmen der Kollege Erich Thieme und die Kollegin Gerda Müller. 3. Die Einteilung der zur Verfügung stehenden Kräfte erfolgt zunächst durch den Einsatzstab und dann laufend durch die Verantwortlichen in den Abschnitten. 4. Alle einsatzfähigen Kräfte des Ortes sind zur Hilfeleistung im Falle eines Alarms verpflichtet. 5. Die Umstellung des Viehs in den gefährdeten Ställen muß unter allen Umständen rechtzeitig, vor Durchbruch des Wassers erfolgen.

„Lang war der Winter in diesem Jahr und streng. Es kann einem an den Haaren angst werden. Die Frühjahrsbestellung wird 1963 kürzer sein müssen als in den vorhergehenden  Jahren. Das wird mehr Kraft erfordern – körperlich wie auch geistig …“ –notiert der Chronist seine Ängste im Februar.
Am 6.März trat das Befürchtete ein – über den zugefrorenen Bach rollten große Mengen Schmelzwasser heran. Das Bauersche, Giehlesche und Krausesche Garten- und Wiesengelände wurde überflutet und der Teil der August-Bebel-Straße bei Heinz Müller, Hedwig Pippig und Albert Schmidt überschwemmt. Nach 14 Uhr gab der Einsatzstab Wasseralarm. Es wurde notwendig, den Schmidtschen Kuh- und Schweinestall zu räumen und die Tiere zum Teil in der Viehsammelstelle, bei Ewald Winter und Hedwig Pippig unterzubringen.
Abschließend wird im April erwähnt, daß die Saaten einen weitaus besseren Eindruck machten als befürchtet (besonders bei Weizen und Raps). Und doch ist Umbruch unvermeidlich. So mußten in der LPG „8.März“ 4,5 ha Weizen, in der LPG „Neuer Weg“ 2,5 ha Weizen und in der LPG „Wieratal“ 3,5 ha Raps umgebrochen werden. Die großen Schäden im Ort, vor allem Rohrbrüche in den Wasserleitungen sind auch Ende April noch nicht restlos beseitigt.
Nach Auffassung des Autors zeigt der Bericht, wie verantwortungsvoll schon vor 60 Jahren mit Winterschmelzen und Hochwassergefahren umgegangen wurde. Diese Gefahren nehmen in unserer Zeit stetig zu und die Verantwortlichen müssen auch hinsichtlich des demografischen Wandels und der sinkenden Zahl der Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren ständig hinterfragen ob wir gegen Unwetterkatastrophen ausreichend gerüstet sind.


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